Denise Geiser: Die musizierende Psychologin

Urs-Ueli Schorno
Verband
Denise Geiser ist Musikerin und Psychologin. Auf ihrem ersten Album «Schmätterling flüg!» bringt sie beides zusammen

Wir verschenken zwei Ausgaben des aktuellen Albums "Schmätterling flüg!" von Denise Geiser an unsere Leserinnen und Leser. Bei Interesse senden Sie uns eine E-Mail an: redaktion [at] fsp.psychologie.ch.  

«Der Moment, in dem es bei mir ‹klick› gemacht hat, kam eigentlich überraschend spät.» Denise Geiser, wir treffen sie in ihrer Wohnung in Bern, hatte schon seit ihrer Jugend Klavierunterricht genossen, Gesangsunterricht genommen und auch schon selber Stücke komponiert. Ihre Ausbildung zur Psychologin hatte sie schon länger abgeschlossen, später auch die Weiterbildung zur Kinder- und Jugendpsychologin.  Inzwischen arbeitete die 32-Jährige als Schulpsychologin, daneben trat sie gelegentlich als Musikerin auf. Es dauerte aber eine Weile, bis sie ihren Beruf und ihre Passion zusammenbrachte. Vor rund vier Jahren folgte bei Denise Geiser dann ebendieser «Aha-Moment»: Die Idee, ihre Leidenschaft für Musik mit Psychologie zu verknüpfen, war geboren. Das Projekt wurde auf den treffenden Namen «GeisDesBlitz» getauft.

In den Gesprächen, die sie seit 2015 als Schulpsychologin mit Schülern und Eltern führte, begegnete die Seeländerin immer wieder Themen wie Trauer, Hoffnung oder Liebe. Auch die Musik setzt sich seit jeher mit diesen Stimmungen auseinander. Denise Geiser wollte nun aber noch einen Schritt weiter gehen. Sie verbindet die transportierten Gefühle mit den Konzepten der Emotionsregulation und Selbstwirksamkeit. «Meine Idee war es, psychologische Botschaften und Erkenntnisse für die Texte zu nutzen, um Kinder und Jugendliche in verschiedenen Gefühlslagen abzuholen und ihnen Hoffnung zu machen.» In ihre Songtexte lässt sie unter anderem Erkenntnisse aus der Glücksforschung, Neuropsychologie oder der Entwicklungspsychologie einfliessen. Modelllernen, Psychoedukation und Normalisierung sind Elemente, die sie in ihren Texten eingesetzt hat.

Auf der Crowdfunding-Plattform Lokalhelden.ch begann sie, für ihr Projekt zu werben.  Mit zusätzlicher Unterstützung von Sponsoren kamen über 20‘000 Franken für die Produktion zusammen. Entstanden ist schliesslich das Album «Schmätterling flüg!», dass 13 Pop-Songs umfasst, die in berndeutscher Mundart vorgetragen sind. Es ist im Oktober auf CD erschienen. Wegen der hohen Nachfrage gibt es inzwischen auch eine digitale Version auf der Webseite Geisdesblitz.ch zu kaufen.

Von Schmetterlingen und Hirnregionen
Denise Geiser nimmt die CD mit dem schön gestalteten Cover zur Hand und wirft einen Blick auf die Playlist. Im Titelsong «Schmätterling flüg!» werden die Themen Mut, Ausdauer, Hoffnung und Umgang mit Misserfolg aufgegriffen. «Es geht darum, auf eigenen Beinen zu stehen und laufen zu lernen – und bei Rückschlägen den Mut nicht zu verlieren.» Wir hören rein. Die Unterschiede zu ‹klassischer› Kinder- und Jugendmusik sind fein, es klingt nicht nach «Psychologenmusik». In anderen Songs wird der Einfluss von Denise Geisers Beruf deutlicher:  «Amygdala» spielt konkret auf die Region im Gehirn an, die Gefahren erkennt, Alarm schlägt und Ängste auslösen kann. Angst, Psychoedukation und Mut werden mit einer Prise Humor angereichert: «I bi d‘Amygdala i sitze i dim Chopf. Immer wes gfährlech wird drücke i der Alarmchnopf» heisst es im Refrain. Doch wenn die Amygdala zu häufig und zu laut Alarm schlägt, dann kann dies bei Betroffenen zu Stress führen und psychische Krankheiten begünstigen. Am Schluss löst Denise Geiser diesen inneren «Dämon» mit Humor auf: «Amygdala, du übertribsch, das isch doch ke Piranha, weisch du nid was e Goldfisch isch.»

Die Entwürfe ihrer Liedtexte hat sie regelmässig mit Co-Autorin Andrea Geiger, einer Schulpsychologin mit psychotherapeutischer Ausbildung, besprochen, angepasst und auch schon mal komplett um­geschrieben.  Beim Schreiben der Songs seien sie keinem strikten Konzept gefolgt, Denise Geiser wollte auf dem Album aber dennoch die Vielfalt der Emotionen abdecken.

Am schwersten fiel ihr das beim Thema «Wut», das im Song «Dampfchochtopf» behandelt wird. «Weil es das Gefühl ist, zu dem ich am wenigsten Zugang habe. Es war eine Herausforderung, dem gesunden Anteil des Gefühls Wut Raum zu geben, das Gefühl ernst zu nehmen und gleichzeitig Möglichkeiten zu einem konstruktiven Umgang anzubieten.» Sie wählte schliesslich den Ansatz einer paradoxen Intervention, die vor Augen führt, dass durchaus etwas Lustiges dabei ist, wenn man sich eine Person vorstellt, die sich partout nicht beruhigen will, stattdessen sogar zusätzlich Druck aufbaut – dem Rumpelstilzchen gleich. Oder eben so, wie der besungene Dampfkochtopf funktioniert.

Im Studio beim Hit-Produzenten
«Die Psychologie steckt vor allem in den Texten», sagt die Liedermacherin. Die Musik unterstützt die thematisierten Emotionen und Stimmungen, folgt aber keiner psychologischen Methode. «Ich weiss nicht, ob man solch komplett psychologisierte Musik überhaupt noch anhören könnte», sagt sie mit einem Lachen. Unbeschwert will ihre Musik sein, aber auch gehaltvoll. An den Songs beteiligt waren auch Studiomusiker und ein Tontechniker, die an den Arrangements mitgearbeitet haben. Nicht zuletzt ist auch Denise Geisers Bruder auf einigen Songs zu hören, der diese mehrstimmigen Gesangspassagen arrangiert hat.
Aufgefordert, ihr persönliches Highlight unter den 13 Songs zu benennen, zögert sie zunächst. «Ich habe in einem anderen Interview bereits «Rüggewind» genannt ­− ich bleibe dabei.» Verbundenheit, Wohlwollen, Sicherheit, Ermutigung und Neugier will der Song vermitteln. «Man kann ihn wie bei allen Liedern einfach anhören und der Geschichte folgen. Wenn man sich etwas damit befasst, erkennt man aber auch die dahinter liegende Ebene. Es gibt verschiedene Flug­höhen, in denen man das Lied hören kann.»

Mit diesem Satz fasst sie ihren Anspruch ziemlich gut zusammen: Ihre Musik ist von der Psychologie inspiriert, soll aber in erster Linie zugänglich sein. Die Kostprobe gibt ­Denise Geiser live beim Fotoshooting. Es findet in ihrem Proberaum statt, in einem Zimmer in ihrer Wohnung. Die CD-Aufnahmen erfolgten derweil in den professionellen Somastudios von David Hofmann in Zofingen, einem renommierten Produzenten für Popmusik. Er hat unter anderem bei Songs für «Schtärnefoifi» oder «Ritschi» mitgewirkt. 

Konzentration auf die Doktorarbeit
Denise Geisers Ziel ist nicht die Hitparade. Ihre Hoffnung ist es viel mehr, dass «Schmätterling flüg!» anderswo Flügel wachsen: Ihr Wunsch ist es, dass Pädagogen, Lehrer, Therapeuten oder auch Eltern ihre Songs Kindern und Jugendlichen vorspielen. «Ich kann mir Anwendungen im Unterricht, im Gespräch mit Schülern in schwierigen Situationen oder in der Familie vorstellen.» Zu diesen Themen bietet Denise Geiser auch Weiterbildungen an.  Für den Musikunterricht seien die mitunter komplexen Harmonien nicht unbedingt gedacht – auch wenn sich eingängige Songs wie «Kapitän» durchaus dafür eignen könnten.

Weitere Pläne für musikalische Projekte, die Musik und Psychologie verbinden, hat Denise Geiser noch nicht gefasst: «Das Album ist ja gerade erst erschienen.» Mit dem Release sei sie momentan auch gut ausgelastet. Zudem hat sie vor Kurzem den Job gewechselt und ihr Doktorat an der pädagogischen Hochschule in Bern in Angriff genommen. Sie beschäftigt sich dabei in qualitativen Interviews mit der Frage, wie schulische Heilpädagogen den Berufseinstieg erleben. «Ich bewege mich dabei auch etwas weg vom direkten Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, obwohl ich dem Thema Schule treu bleibe.» Das Pensum von 75 Prozent an der Hochschule ermöglicht es ihr aber, ihre Leidenschaft, die Musik, auch in Zukunft mit einer gewissen Intensität aufrechtzuerhalten. 

Name: Denise Geiser
Beruf: Kinder- und Jugendpsychologin, Musikerin
Kompetenzen: Musikalische Erfahrung als Singer-Songwriterin. Ausbildung zur Psychologin. Weiterbildung zur Fachpsychologin Kinder- und Jugendpsychologie FSP

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