Chronische Einsamkeit
"Im Gegensatz zum vorübergehenden adaptiven Gefühl von Einsamkeit wird chronische oder überdauernde Einsamkeit als stark beeinträchtigend und gravierend angesehen", so Krieger und Kollegen.
Einsame Menschen zeigen gewisse Besonderheiten. Eine Überblicksarbeit zeigt, dass sich die soziale Informationsverarbeitung von einsamen und nicht einsamen Personen: Einsame Personen fokussieren die Aufmerksamkeit rascher auf bedrohliche oder mehrdeutige soziale Situationen, er-warten mehr Zurückweisung, schätzen sich und andere negativer ein, erinnern negative Interaktionen besser, weisen eine ausgeprägte Vermeidungsmotivation und eine tiefere soziale Selbstwirksamkeit auf.
Das Modell von Cacioppo & Hawkley beschreibt anschaulich, "wie aus situativ erlebter Einsamkeit ein Teufelskreis chronischer Einsamkeit entstehen kann". In einer Situation von sozialer Isolation und/oder Zurückweisung fühlt sich eine Person einsam und erlebt einen motivationalen Konflikt. Sie wünscht sich Anschluss und möchte gleichzeitig (erneute) Ablehnung und Verletzung vermeiden. Das Vermeidungsmotiv "führt dazu, dass (ambivalente) soziale Situationen verzerrt und als bedrohlich wahrgenommen werden und resultiert in kontraproduktivem sozialem Verhalten". Als Konsequenz erlebt die Person weitere negative Interaktionen und die Einsamkeitsgefühle nehmen zu.
Interventionen bei Einsamkeit
Eine Meta-Analyse zu Interventionen bei Einsamkeit findet vier Schwerpunkte: Die Verbesserung sozialer Fähigkeiten und der sozialen Unterstützung, bessere Möglichkeiten für soziale Kontakte und die Arbeit an maladaptiven sozialen Kognitionen. Am effektivsten scheint dabei die Arbeit an den Kognitionen zu sein.
Konkreter wird eine weitere Übersichtsarbeit. Auf der Basis einer modularen kognitiv-behavioralen Theorie chronischer Einsamkeit werden Interventionen für eine individuell angepasste Therapie empfohlen: Psychoedukation zu Einsamkeit, Arbeit an sozialen Kognitionen und an Kognitionen in Bezug auf das Alleinsein, Klären von vergangenen Beziehungserfahrungen und Beziehungserwartungen, Expositionstraining in sozialen Situationen, Training von Emotionsregulation, sozialen Fertigkeiten und Kommunikation, Finden und Planen von sozialen Aktivitäten und Interventionen zur Steigerung von Selbstwert und Selbstmitgefühl.
Aurélie Faesch-Despont
17/02/2022