Psychoscope-Blog: Führung auf Distanz während der Corona-Pandemie
Sharon K. Parker von der Curtin Universität Bentley, Australien und Kolleginnen luden Erwerbstätige auf der ganzen Welt ein, an einer Längsschnittstudie teilzunehmen, die Mitte April 2020 begann, um zu untersuchen, wie sich Covid-19 auf die Arbeit, das Wohlbefinden und die Produktivität von Führungskräften und Mitarbeitenden auswirkt. Mehr als 1200 Personen aus 24 verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Branchen nahmen an der ersten Befragung teil. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass viele Führungskräfte in ihrer neuen Rolle Schwierigkeiten bekunden.
Selbstvertrauen, Überzeugungen und Vertrauen von Führungskräften
Etwa 40 % der 215 Führungskräfte äusserten geringes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, Mitarbeitende aus der Ferne zu führen. Ein ähnlicher Anteil der Manager war der Meinung, dass Mitarbeitende im Homeoffice weniger leisten als am Arbeitsplatz vor Ort. Die generell schlechte Beurteilung des Homeoffice schien sich auch auf die Einschätzung der Kompetenzen der Mitarbeiter zu übertragen. Männer zeigten dabei eine negativere Einstellung zur Fernarbeit und misstrauten der Kompetenz ihrer eigenen Mitarbeitenden häufiger. Jüngeren Führungskräften fehlte es auch eher an Selbstwirksamkeit bei der Führung auf Distanz. Auch der organisationale Kontext spielt eine Rolle: Bei den Führungskräften, die berichteten, dass ihre Organisation flexible Arbeit wenig unterstützt, war der Grad der Selbstwirksamkeit bei der Führung von Telearbeitenden geringer.
Des weiteren hatten Führungskräfte, die über eine geringere Autonomie in ihrer eigenen Arbeit, eine strenge Überwachung und ein hohes Mass an Misstrauen seitens ihres eigenen Vorgesetzten berichteten, negativere Überzeugungen zu Telearbeit und ein grösseres Misstrauen gegenüber ihren Mitarbeitenden. Diese Ergebnisse deuten auf einen sozialen Lernprozess der Führungskräfte hin. Aufgrund der Beobachtung des Verhaltens ihrer eigenen Vorgesetzten nehmen sie vermutlich an, dass Überwachung und Mikromanagement von ihnen als Führungskraft erwartet wird.
Wahrnehmung aus Sicht der Arbeitnehmenden: Überwachung und „Always-on“-Kultur
Ein Teil der Analysen von Parker und Kolleginnen konzentrierte sich auf 617 Arbeitnehmende, die vier oder mehr Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Rund ein Viertel dieser Personen berichteten über ein sehr hohes Niveau von Überwachung. Über ein Drittel der Mitarbeitenden hatten auch das starke Gefühl, dass ihr/-e Vorgesetzte/-r kein Vertrauen in ihre Fähigkeit hat, die Arbeit zu erledigen. Eine noch grössere Zahl von Arbeitnehmenden berichtete, dass sie das Gefühl hatten, ständig verfügbar sein zu müssen, z. B. dass von ihnen erwartet wird, dass sie auf elektronische bzw. telefonische Nachrichten sofort antworten und dass sie auch nach der Arbeit reagieren müssen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei den Arbeitnehmenden im Homeoffice eine "Always-on"-Kultur vorherrscht.
Entscheidend ist, dass Überwachung und "Always-on"-Kultur mit einem eingeschränktem Wohlbefinden und geringerer Motivation einhergehen: Erstens zeigen Regressionsanalysen, dass die Angst am Arbeitsplatz bei denjenigen Arbeitnehmenden grösser ist, die eine enge Überwachung erleben und überzeugt sind, dass ihr/-e Vorgesetzte/-r ihnen nicht vertraut. Zweitens ist der Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben bei Arbeitnehmenden mit einem hohen Mass an enger Überwachung und Druck zur ständigen Verfügbarkeit grösser.
Drittens ist es aus der Produktivitätsperspektive nicht folgerichtig, zu glauben, dass Menschen, nur weil sie im Unternehmen physisch an ihrem Schreibtisch sitzen, gute Leistungen erbringen. Überwachendes Mikromanagement ist kein wirksames Mittel, um das Beste aus den Menschen herauszuholen. Die Ergebnisse von Parker und Kolleginnen zeigen: Je mehr sich Mitarbeitende misstraut fühlen, desto geringer ist deren Wahrnehmung, dass sie ihre Kernaufgaben gut erfüllen.

Fünf Hinweise für die Arbeitsgestaltung
Auf der Grundlage ihrer Forschung empfehlen die Autorinnen:
- Interventionen sollten auf der höchstmöglichen Führungsebene angesetzt werden: Führungskräfte handeln oft ähnlich wie ihre eigenen Vorgesetzten.
- Eine Organisation sollte praktische und moralische Unterstützung für das Arbeiten aus der Distanz bieten, indem sie beispielsweise die erforderliche Ausstattung zur Verfügung stellt und Schulungen zur Unterstützung flexibler Arbeit anbietet.
- Führungskräfte sollten über die potentiellen Vorteile von gut konzipierter Fernarbeit aufgeklärt werden. Bestehende Forschungen zur Telearbeit zeigen, dass sie produktiver sein kann als Büroarbeit – ein wichtiger Faktor ist dabei allerdings die grössere Autonomie. Wenn die Autonomie gering und das Mikromanagement aufgrund des Misstrauens der Manager hoch ist, werden diese Vorteile korrumpiert.
- Die Führungskräfte sollten darin geschult werden, wie sie Autonomie gewähren. Führungskräfte können lernen, dass Autonomie nicht weniger Kommunikation mit den Mitarbeitenden bedeutet. Aber anstatt die Mitarbeiter zu kontrollieren sollten Vorgesetzte sich bei den Mitarbeitenden melden, um ihnen die Informationen, Anleitung und Unterstützung zu geben, um autonom arbeiten zu können.
- Führungskräfte sollten darin geschult werden, ergebnisorientiert zu führen. Wo und wann die Mitarbeitenden ihre Arbeit erledigen sollte zweitrangig sein, wenn die Ergebnisse stimmen. Wichtig scheint also insbesondere, dass die Führungskräfte unterstützt und geschult werden, damit sie ihre Mitarbeitenden aus der Ferne effektiver führen können und die Vorteile dieser Arbeitsform ausgeschöpft werden.
Parker, S.K., Knight, C., & Keller, A. C. (2020). Remote Managers Are Having Trust Issues. Harvard Business Review. Extrait de: https://hbr.org/2020/07/remote-managers-are-having-trust-issues
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