Eine quantitative Forschung an zu einer stationären therapeutischen Massnahme nach Artikel 59, 60, 61 und 63 des Strafgesetzbuches (StGB) verurteilten Frauen zeigt nun das soziodemografische Profil von Frauen im Strafvollzug auf. Besonders berücksichtigt wurden Aspekte der Viktimisierung, traumatische Elemente in der Kindheit und/oder im Erwachsenenalter, psychische Beschwerden, Diagnosen und die Art des Vergehens. Überdies wurden verschiedene Frauengruppen (aufgeteilt nach Strafmassnahme) verglichen. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Forensisch-Psychiatrischen Dienst (FPD) der Universität Bern erstellt. Zu den Aufgaben des FPD gehört die psychotherapeutische Versorgung der Häftlinge in den Gefängnissen des Kantons Bern (Bern, Thun, Burgdorf und Hindelbank). Die Forschenden der Universität Bern hatten Zugang zu den Akten aller Frauen, die der FPD seit 1996 mindestens einmal gesehen hat. Rund 220 Frauen bilden das Panel dieser retrospektiven Studie, die auf der Auswertung der jeweiligen Akten beruht (von Februar 2014 bis Dezember 2015). Rund 28 dieser Frauen waren zu einer therapeutischen Massnahme nach Artikel 59 StGB verurteilt worden, 56 nach Artikel 60 StGB, 6 nach Artikel 61 StGB und 130 nach Artikel 63 StGB.
Die Ergebnisse stellen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen diesen Frauengruppen heraus. Zu den Unterschieden zählt, dass Frauen mit einer Massnahme nach Art. 59 StGB älter, häufiger alleinstehend und am häufigsten Bezügerinnen einer IV-Rente sind. Die Dauer ihrer Massnahmen ist deutlich länger und die Diagnosen sind schwerwiegender (Persönlichkeitsstörung und Psychose). Weitere Unterschiede betreffen die Vergehen selbst, mit einer höheren Anzahl strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben (schwere Körperverletzung, vorsätzliche Tötung und Mord). In den anderen Gruppen ist die Zahl der Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz besonders hoch.
Françoise Genillod
12/11/2019