Für die Wirksamkeit von körperlicher Aktivität zur Behandlung von Angsterkrankungen führen Petzold et al. verschiedene Studien an. Lindenberger et al. (2017) zeigen, dass bei Zahnarztphobie "ein einzelnes 30-minütiges moderat-anstrengendes (...) Laufbandtraining die Angst beim anschliessenden Zahnarztbesuch signifikant" reduziert verglichen mit dem Kontrolltraining. Ein mehrwöchiges Ausdauerprogramm kombiniert mit kognitiver Verhaltenstherapie bei Panikstörung zeigt "deutliche Hinweise auf eine Wirksamkeitssteigerung" (Gaudlitz et al. 2015). Stonerock et al. (2015) erachten körperliche Aktivität als ähnlich effektiv wie Psycho- und Pharmakotherapie und halten fest, dass zur zuverlässigen Beurteilung der Wirksamkeit von körperlicher Aktivität weitere Studien nötig sind.
Angstkranke sind deutlich weniger körperlich aktiv als Menschen ohne psychische Erkrankungen und auch weniger als Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen. Körperliche Aktivität und Angstreaktion lösen vergleichbare physiologische Prozesse aus (Pulsanstieg, Schwitzen, Muskelspannung). Menschen mit Angsterkrankung neigen dazu, diese Veränderungen während einer Aktivität als beginnende Angstattacke zu attribuieren, sie entwickeln Angst vor körperlicher Aktivität und vermeiden diese ("exercise anxiety", Mason et al. 2019). Die Angst vor körperlicher Aktivität, so Petzold et al., sei klinisch bedeutsam. Sie erschwere einerseits den Einsatz körperlicher Aktivität als Therapie und biete anderseits einen "vielversprechenden Ansatzpunkt für Konfrontation und Exposition".
Spezifische Bewegungsempfehlungen für Angstkranke sind auf der Basis der aktuellen Studienlage nicht möglich (Teychenne et al. 2019). Petzold et al. plädieren dafür, sich an den WHO-Empfehlungen für Erwachsene zu orientieren und körperliche Aktivität in der Behandlung von Angstkranken routinemässig zu erfassen, als Therapieoption oder -ergänzung anzubieten und mit psychologischen Interventionen zu begleiten.
Dorothee Schmid
07/12/2020