Psychoscope-Blog – Wie Vorgesetzte (sich selbst und) ihren Mitarbeitenden den Schlaf rauben

Sibylle Galliker
Forschung
Psychoscope-Blog
Verband
Zum Zusammenhang von wiederkehrend-negativen Gedanken von Führungskräften und der Schlafqualität ihrer Mitarbeitenden.

Erholsamer Schlaf fördert die Gesundheit, die Leistungsbereitschaft und die Sicherheit von Erwerbstätigen. Schlafprobleme sind jedoch weit verbreitet und können viele Ursachen haben, dazu zählen auch Arbeitsbedingungen. Wie die Gesundheit von Führungskräften und ihr Führungsverhalten den Schlaf der Mitarbeitenden auch längerfristig negativ beeinflussen kann, haben Forschende der Universitäten Marburg, Bern und Mainz in einer Längsschnittstudie untersucht.

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Sibylle Galliker
Arbeits- und Organisationspsychologin
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Problematisch: Arbeitsbezogene negative Gedanken in der Freizeit 
Führungskräfte müssen oft hohe aufgabenbezogene und zwischenmenschliche Anforderungen bewältigen. Ruminieren - d. h. wiederkehrende negative Gedanken über die Arbeit in der arbeitsfreien Zeit - sind nicht selten eine Folge dieser Arbeitsbelastungen. Dass solches Grübeln der Führungskraft eine Kaskade von Mechanismen auslösen und schliesslich anhaltende Schlafprobleme der Mitarbeitenden vorhersagen kann, zeigten Eva Matick, Maria Kottwitz, Thomas Rigotti und Kathleen Otto in einer Studie mit drei Befragungszeitpunkten, die über 22 Monate 94 Führungskräfte und deren 332 Mitarbeitende einbezog. 

Frühere Längsschnittuntersuchungen zeigten bereits, dass das Ruminieren die Beziehung zwischen verschiedenen Arbeitsstressoren und Schlafproblemen erklären kann: Das Grübeln als Folge von belastenden Arbeitsbedingungen führt demnach zu einer affektiven und physiologischen Aktivierung, die in der Folge den erholsamen Schlaf verzögert oder verhindert. Die erholungsbedürftigen Beschäftigten müssen tags darauf zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Arbeitsaufgaben zu erfüllen, was zu einer erhöhten Belastungsreaktion und zu weiterem Grübeln und grösseren Schlafproblemen führen kann. 

Führungskräfte mit Gesundheitsbeschwerden zeigen weniger konstruktives Führungsverhalten 
Tatsächlich zeigen Führungskräfte, die in ihrer Freizeit über Probleme bei der Arbeit grübeln, häufig Belastungssymptome wie Schlafstörungen und Müdigkeit. Diese wiederum gehen mit einem weniger ressourcenorientierten Führungsverhalten einher und können sich so auf Mitarbeitende übertragen. 

Führungskräfte sind (Mit-)Gestalter der Ressourcen ihrer Mitarbeitenden, indem sie beispielsweise Handlungsspielräume gewähren, Konflikte managen, Leistungen fair beurteilen. Diese Arbeitsressourcen erleichtern den Mitarbeitenden das Erreichen von Arbeitszielen und reduzieren oder verhindern das Ruminieren seitens der Mitarbeitenden. Ressourcenorientierte Führung sollte also das Grübeln der Mitarbeitenden reduzieren und deren Schlafqualität verbessern.

Die Rolle der Führungskräfte für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ist vielschichtig
Die Ergebnisse der Studie von Matick et al. bestätigten das Erklärungsmodell, dass das Grübeln der Führungskraft ein wichtiger Einflussfaktor auf die Schlafqualität der Mitarbeitenden sein kann. Die Forschenden zeigten, dass das Grübeln der Führungskraft zunächst die Gesundheitsbeschwerden der Führungskraft selbst vorhersagt und in der Folge mit weniger ressourcenorientiertem Führungsverhalten einhergeht, was wiederum häufigeres Ruminieren und reduzierte Schlafqualität der Mitarbeitenden vorhersagt. 

Die Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass das Führungsverhalten die Gesundheit der Mitarbeitenden über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen beeinflusst. Darüber hinaus bestätigen sie die Annahme, dass die Gesundheit der Führungskräfte eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Mitarbeitenden spielt. 

Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung eines auf Erholung fokussierten, gesundheits- und ressourcenorientierten Verhaltens der Führungskräfte für die Schlafqualität der Mitarbeitenden. Es wird deutlich, dass auch das Gesundheitsverhalten der Führungskräfte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement einen Ansatzpunkt darstellt. 
 

Studie

Matick, E., Kottwitz, M. U., Rigotti, T., & Otto, K. (2022). I can't get no Sleep: The Role of Leaders' Health and Leadership Behavior on Employees' Sleep Quality. European Journal of Work and Organizational Psychology, 1-11.

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