Seine Gesundheit nachhaltig fördern durch Erkenntnisse aus der Gesundheitspsychologie

Urte Scholz
Forschung
Verband
Mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren oder das Rauchen aufgeben: Wie setzt man gute Vorsätze um? Durch den Transfer gesundheitspsychologischer Forschung in die Praxis.

In der Schweiz sowie weltweit sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die führenden Ursachen für frühzeitiges Versterben im Erwachsenenalter. Diese Erkrankungen sind massgeblich verhaltensbedingt. Rauchen, körperliche Inaktivität und unausgewogene Ernährung gehören zu den Hauptrisikofaktoren für solche Erkrankungen. Wer solche Verhaltensweisen verändert, kann dazu beitragen, diese Erkrankungen zu verhindern.

Gleichzeitig hat etwa regelmässige körperliche Aktivität auch eine gesundheitsförderliche Wirkung: Sie stärkt die körperliche und auch die psychische Gesundheit. Die Veränderung des gesundheitsrelevanten Verhaltens ist ein Schwerpunkt der Gesundheitspsychologie. Gesundheitspsychologische Erkenntnisse aus der Forschung, die in die Praxis übertragen werden, tragen somit massgeblich zur Förderung der Gesundheit in der Gesellschaft bei.

Der Zusammenhang zwischen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen und der Gesundheit ist von Studien klar aufgezeigt worden. Warum verhält sich die Mehrheit dennoch nicht gesünder? Weil es nicht genügt, die Menschen darüber aufzuklären, dass sie sich einem gesundheitlichen Risiko aussetzen, wenn sie beispielsweise rauchen oder sich nicht ausreichend bewegen. Wie die Forschungsgruppe des Gesundheitspsychologen Gerjo Kok von der Universität Maastricht zeigen konnte, tragen sogenannte Furchtappelle nur wenig zur tatsächlichen Veränderung des Gesundheitsverhaltens bei.

Solche Appelle zielen darauf ab, das wahrgenommene Risiko etwa des Rauchens für die eigene Gesundheit, zu erhöhen. Damit übereinstimmend nimmt keine einzige gesundheitspsychologische Theorie an, dass ein Verhalten ausschliesslich aufgrund der Wahrnehmung des eigenen Risikos verändert wird. Stattdessen braucht es noch etliches mehr, damit wir wirklich unser Verhalten ändern. 

Vorteile des Verhaltens müssen überwiegen
So ist es beispielsweise wichtig, dass die wahrgenommenen Vorteile des neuen Verhaltens die immer auch vorhandenen Nachteile überwiegen. Beispielsweise könnte eine Frau, die überlegt, ob sie mit dem Rauchen aufhören sollte, grosse Bedenken haben, dass sie an Gewicht zunehmen könnte oder keine anderen Strategien zur Entspannung zur Verfügung hat. Der Vorteil hingegen bleibt für die Raucherin abstrakt und ist in ferner Zukunft: bei sofortigem Rauchstopp womöglich später einmal nicht ernsthaft krank zu werden. Bei der Förderung von gesundheitsrelevantem Verhalten sollten also die konkreten Vorteile herausgestrichen und allfällige Nachteile besprochen und wo immer möglich entkräftet werden. 

Ein weiterer Faktor für gute Vorsätze, die auch tatsächlich umgesetzt werden, ist die Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass man es sich zutraut, das Verhalten wirklich ändern zu können, auch wenn es schwierig wird. Die Selbstwirksamkeit hat sich als zentral für die erfolgreiche Veränderung von gesundheitsschädlichem Verhalten erwiesen. Sie kann über verschiedene Wege gestärkt werden.

Der erste Weg zu Selbstwirksamkeit ist die eigene Erfolgserfahrung. Ein zweiter führt über das sogenannte Modelllernen: Menschen können sich an anderen orientieren, die erfolgreich ihr Verhalten geändert haben. Ein dritter Weg zu Selbstwirksamkeit ist, wenn Personen, die glaubwürdig sind, einem das Vertrauen entgegenbringen, dass man Erfolg haben wird. Wenn nun also ein gewisses Risiko des eigenen Verhaltens wahrgenommen wird, die erwarteten Vorteile einer Verhaltensänderung die Nachteile überwiegen und man es sich auch zutraut, das Verhalten zu ändern, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man es sich vornimmt, sich mehr zu bewegen oder ernsthaft das Rauchen aufzugeben. 

Konkrete Planung hilft bei der Umsetzung
Doch ein guter Vorsatz allein reicht meist nicht aus, um erfolgreich das eigene Verhalten zu ändern. Viele Menschen meinen bei Misserfolg, dass sie einfach zu undiszipliniert oder zu willensschwach sind. Solche Erklärungen sind wenig hilfreich, zumal die Gründe des Scheiterns als unveränderbar wahrgenommen werden. Die Forschung zur Verhaltensänderung zeigt stattdessen, dass die Anwendung hilfreicher Strategien die Umsetzung der guten Vorsätze in tatsächliches Verhalten begünstigen können. 

Eine solche Strategie ist Planung. Statt beispielsweise nur den guten Vorsatz «Ich möchte mehr Sport treiben» zu formulieren, ist eine zusätzliche, konkrete Planung hilfreich, um ihn in die Tat umzusetzen. So könnte ein konkreter Plan etwa lauten: «Wenn ich mittwochs nach der Arbeit nach Hause komme, ziehe ich mich direkt um und gehe 30 Minuten im Quartier laufen.» Der Plan, ein neues Verhalten einzuüben, gliedert sich also in ein Wann, ein Wo und ein Wie.

Es hilft zudem, wenn man sich bereits im Vorfeld überlegt, was dazwischenkommen könnte und wie man damit umgehen kann. So könnte es am Mittwoch regnen und man läuft nicht gerne bei Regen draussen. Ein sogenannter Bewältigungsplan könnte dann lauten: «Wenn es mittwochs nach der Arbeit regnet, gehe ich stattdessen für 30 Minuten schwimmen.» Die in den Bewältigungsplänen adressierten Barrieren können sehr individuell sein und natürlich auch innere Zustände wie Unlust beinhalten. Vielleicht sind auch die ersten Pläne nicht gleich die besten und müssen angepasst werden. 

Soziale Beziehungen sind wichtig für eine Verhaltensänderung.

Eine weitere Strategie, das eigene Verhalten zu ändern, ist die Handlungskontrolle. Dazu gehören drei Komponenten: Erstens muss man seine guten Vorsätze im Kopf haben. Das klingt trivial, aber wenn man viel um die Ohren hat, können Vorsätze für neue Verhaltensweisen vergessen gehen. Zweitens muss man auch wissen, was man tatsächlich macht, das eigene Verhalten also selbst beobachten. Erst das ermöglicht einen Abgleich zwischen Soll- und Ist-Zustand. Falls man eine Diskrepanz feststellt und beispielsweise in einer Woche weniger Sport getrieben hat als vorgenommen, kommt die dritte Komponente der Handlungskontrolle zum Zug: die regulative Anstrengung. Diese besteht zum Beispiel darin, dass man bessere Pläne macht.

Die Rolle der sozialen Beziehungen 
Neben diesen verschiedenen individuellen Faktoren gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass soziale Beziehungen wichtig für eine Verhaltensänderung sind. Besondere Aufmerksamkeit der Forschenden haben hier die soziale Unterstützung und – in etwas geringerem Ausmass – die soziale Kontrolle erhalten. Soziale Unterstützung wird definiert als Hilfe durch andere, um entweder ein Problem zu verändern oder, wenn das nicht möglich ist, den Umgang mit der schwierigen Situation zu erleichtern.

Man unterscheidet zwischen emotionaler Unterstützung, die vor allem Verständnis, Trost und Mitfühlen beinhaltet, und instrumenteller Unterstützung, die im Abnehmen von Aufgaben oder der Bereitstellung von Ressourcen (etwa finanzieller Hilfe) besteht. In aktuellen Studien meiner Arbeitsgruppe an der Universität Zürich zeigt sich, dass der Erhalt sozialer Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin mit weniger Rauchen und mehr Bewegung einhergeht. Es gibt allerdings auch Studien, die diesen Zusammenhang nicht bestätigen können. Hier braucht es mehr Forschung, um genauer zu verstehen, wann für wen welche Unterstützung hilfreich ist. 

Forschende untersuchen neben der Unterstützung auch die Rolle der sozialen Kontrolle für eine Verhaltensänderung. Soziale Kontrolle ist definiert als der Versuch, das Verhalten einer anderen Person zu beeinflussen und zu regulieren. Soziale Kontrolle wird häufig unterteilt in positive (etwa diskutieren, überreden oder Komplimente machen) und negative Kontrollstrategien (wie nörgeln oder der Entzug von Zuneigung), um die andere Person zur Änderung ihres Verhaltens zu bewegen. In drei Tagebuchstudien konnten wir zeigen, dass positive Kontrolle mit weniger Rauchen und mehr Bewegung und auch mit besserer Befindlichkeit assoziiert war.

Dagegen zeigte die negative Kontrolle keinen Zusammenhang mit dem Verhalten und war stattdessen mit schlechterer Befindlichkeit und mit mehr Widerstand verbunden: Beispielsweise verheimlichten die Teilnehmenden das gesundheitsschädliche Verhalten vor ihrem Partner oder ihrer Partnerin oder sie taten genau das Gegenteil von dem, was der Partner oder die Partnerin wollte. 

Es gibt viele Stellschrauben, an denen man für eine erfolgreiche Veränderung des Gesundheitsverhaltens drehen kann. Die gesundheitspsychologische Forschung zeigt gesamthaft gute Evidenz für die oben genannten individuellen Faktoren. Dass der soziale Kontext ebenfalls eine grosse Rolle für die Verhaltensänderung spielt, ist auch unumstritten. Für verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit sozialer Unterstützung und sozialer Kontrolle bei der Änderung gesundheitsrelevanten Verhaltens ist aber weitere Forschung notwendig.

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